Die vergangenen Zyklen – Kapitel II

Die erste Schar der verwandelten Kräl fand sich im Geheimen zusammen unter Ælfrics Führung. Auch war Ælfric der Erste unter ihnen gewesen und seinem Erscheinen wurde nachgeeifert. Die Schar der so verwandelten wuchs täglich weiter an und eines Tages waren sie derer so zahlreich, dass sie beschlossen auszuziehen, eine neue Heimstatt zu finden. Ælfric führte sie an den Rand der großen Wüste und verkündete, sie würden ihre Zukunft finden, am anderen Ufer der See aus Sand und Hitze. Zunächst regten sich Zweifel. Viele glaubten, die Durchquerung der wüste bedeute den Tod für die meisten unter ihnen. Ælfric zog darauf hin allein in die Wüste. Bevor er aufbrach verkündete er: „Wartet auf mich 30 Tage. Bin ich binnen dieser Frist nicht zu Euch zurückgekehrt, so flieht in den Großen Wald, baut Schiffe wo der Wald an das Meer grenzt und segelt gen Norden.“

Voll Ungeduld erwartete die Schar der Verwandelten Tag um Tag die Rückkehr Ælfrics. Zwei Tage bevor die Frist verstrichen war, erspähte der junge Easar einen Verwandelten, der kaum dass er Easar gewahr wurde, die Hand erhob und in den Staub fiel. Easar schleppte den Bewusstlosen in einen Unterschlupf. Älteste und Weise wurden eilig herbeigerufen. Schon bald erkannten sie, dass es Ælfric war, der dort daniederlag. So wurden allerlei Anstrengungen unternommen, den Bewusstlosen Ælfric wieder auf die Beine zu bringen. Eine ganze Woche sollte es dauern bis Ælfric die die Augen aufschlug und mit fester Stimme verkündete: „Packt zusammen, was Euch lieb und teuer ist und kommt zu mir zum Mittag des morgigen Tages. Im darauffolgenden Morgengrauen werden wir aufbrechen. Lauft nun rasch und verbreitet die Kunde. Eile ist geboten.“

Am Mittag des folgenden Tages fand sich die schar der Verwandelten ein. Tausende waren dort versammelt. Selbst unter Zuhilfenahme der Durchdringung hatte Ælfric Mühe, sein Wort auch an jedes Ohr dringen zu lassen. So verkündete er den Versammelten, dass die Monde günstig standen, wenn sie nur gleich am nächsten Tag in aller Frühe aufbrechen würden. Ein neuer Zyklus stand kurz bevor und so würden die drei Schwestern die Reisenden sicher verbergen vor Athuns sengenden Strahlen. Jedoch sollte ein jeder soviel Wasser mit sich nehmen, wie er zu tragen vermag. Es stand zu befürchten, dass nicht alle Tage der Reise im Schatten der drei Schwestern zurückgelegt werden könnten. Weiter erzählte Ælfric von den Wochen seiner einsamen Meditation in der Wüste und wie er eines Tages, da ihm ein jämmerlicher Tod durch Fehlen von Wasser und Nahrung schon kurz bevorstand, mit Hilfe der Durchdringung den Schlüssel zum Überleben in der Wüste gefunden hatte. Er zeigt ihnen, wie es möglich war, mit Kraft der Durchdringung  Wasser aus Luft zu erschaffen. Nicht viel, aber es sollte genügen, so hoffte man, dass die Verwandelten nicht inmitten der Wüste verdursten mussten.

Und so geschah es. Im Morgengrauen brachen sie auf. Mitten hinein in die Wüstenei. Nach Tagen der Reise, als die Vorräte an Wasser begannen zur Neige zu gehen, begann der Wechsel der Zyklen, wie Ælfric es ihnen gesagt hatte. Die drei Schwestern verdunkelten den Himmel, die Luft ward frisch und kühl und Athuns sengende Strahlen blieben verborgen. Die Kraft der Durchdringung vervielfachte sich in diesen Tagen und so war es den Reisenden möglich die Vorräte an Wasser wieder aufzufüllen bis fast ein jeder Behälter bis zum Rande aufgefüllt war. Doch die Reise war noch lange nicht vorbei. Der neue Zyklus brach an und mit ihm kehrte auch die Hitze zurück. Viele Tage und Nächte marschierten sie durch die nicht enden wollende See aus Staub und Hitze, bis kaum noch ein Tropfen Wasser übrig war. Mühsam nur kämpften sie sich voran, nur mit dem, was sie mit Hilfe der Durchdringung aus der Luft gewinnen konnten. Als schon begannen die Alten, Kranken und Kinder müde zu werden und es häuften sich Anzeichen, dass viele von Ihnen das Ende der Reise nicht erleben würden. Kein Anzeichen für ein baldiges Ende der Anstrengungen war in sicht. Kein Vogel im Himmel, kein Geruch in der Luft und kein Tier am Boden deutete darauf hin, dass die Strapazen bald ein Ende haben würden.

Als Ælfric dem gewahr wurde, versammelte kletterte er auf einen Felsen und rief alle zu sich. Nun bat er, die Wasserbehälter an diesem Ort zu hinterlassen und das noch verbliebene Wasser zu gleichen Teilen unter ihnen aufzuteilen. Er selbst wollte keinen Schluck. Alsdann sollten sie gehen und ein Nachtlager errichten. Ælfric wolle die Nacht hier bei den Felsen verbringen und am nächsten Morgen sollten sie zu eben jenen Felsen zurückkehren. Verwunderung war auf den Gesichtern zu lesen, doch da ob der Erschöpfung kaum jemand in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, taten sie, wie Ælfric ihnen geheißen hatte. Das Nachtlager wurde außer Sichtweite der Felsen aufgeschlagen und sie verbrachten dort eine unruhige Nacht. Kaum dämmerte der Morgen, da kehrten sie zurück an die Stelle, an der sie ihre Gefäße zurückgelassen hatten. Wie groß war ihr Erstaunen und ihre Freude, als sie ein jedes Gefäß bis zum Rande mit Wasser gefüllt dort vorfanden. Doch in ihre Freude mischte sich auch Trauer und Sorge. Von Ælfric fehlte jede Spur. So sehr sie auch suchten, Ælfric war nicht aufzufinden. Doch zagten sie nicht. Gebührend würden sie seiner Gedenken, wenn sie nur endlich die wüste durchquert und eine neue Heimstatt gefunden hätten.

So zogen sie weiter nach Westen, wo sie nach weiteren langen Tagen des Marsches durch die Wüste auf Bäume, Getier und frisches Wasser stießen. Hier gründeten sie ihre neue Heimstatt und nannten sich fortan Ælfen, zu Ehre und Gedenken an Ælfric, den ersten unter ihnen und weil sie ihm alle ein wenig ähnlich sahen mit ihren schlanken Körpern und großen Augen, den dreieckigen Gesichtern und langen, spitz zulaufenden Ohren.

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Codex Luminis – Creatio

Am Anfang war das Nichts.

Dies sah Athun und machte sich auf eins zu werden mit dem Nichts. So wurde er gewahr, das außer ihm selbst nichts war und er begann zu erstrahlen, ob nicht doch mehr als nichts um ihn herum wäre. Doch es war nichts.

So erschuf Athun Uodan und Mara. Und er sah, wie diese sich umtanzten in einem Reigen immerfort und befand, dass dies zu seinem Wohlgefallen war. Hernach erschuf er Mani, Kani und Ilteri, auf dass sie sich einfügen sollten in den Reigen Uodans und Maras. So geschah es, wie Athun es vorhergeplant hatte und fortan bewegten sich alle fünf in einem immerwärenden Reigen, dass es eine Wonne war, sie zu betrachten. Tausende Zyklen erfreute sich Athun des Anblicks, bis er den Entschluß fasste, kleines Leben zu erschaffen. Wenn derer klein sind, so plante Athun in seiner unendlichen Weisheit, so können derer viele sein. Uodan und Mara wählte er aus, das kleine Leben zu beherbergen. Auf Mara sollten die kleinen Lebewesen wandeln und Uodan sie bedecken. Bevor er aber das kleine Leben schuf, veränderte Athun das Antlitz der Mara. So schuf er die Meere und die Kontinente, Berge und Seen. Und dies dauerte wohl mehrere hundert Zyklen.

Als dies vollbracht war, begann Athun mit der Schöpfung des kleinen Lebens. Zuerst schuf er Pflanzen. Derer so viele und so mannigfaltig, dass auch dies mehrere hundert Zyklen in Anspruch nahm. Alsbald darauf erschuf Athun die Tiere zu Wasser, zu Land und in der Luft. Kaum war ihm dies gelungen stellte Athun fest, dass die Zyklen nur so dahin gerast waren und er beschloß sich nun sein Werk zu betrachten. Ihm gefiel was er sah und die Tiere und Pflanzen mehrten sich und wurden noch mannigfaltiger, als er sie ohnehin schon erschaffen hatte. Lange betrachtete Athun seine Schöpfung und je länger er hinsah, desto mehr stieg in ihm eine rechte Unzufriedenheit auf. Er hatte noch kein Leben erschaffen, was ihm selbst ähnlich war. So überlegte Athun, kleines Leben zu schaffen, was denken konnte, kreativ wäre und selbst schöpferisch tätig. So suchte er sich eine Tierart aus und gab diesen Tieren die Gaben des Verstandes, der Kreativität und der Selbsterkenntnis. Zuerst waren dies die Aves. Doch er beobachtete sie und war unzufrieden. Sie hatten sich nur wenig verändert. Wohl kam Athun zu dem Schluß, er hätte ihnen nicht genügend der Gaben eingehaucht. So erwählte er die Ursae, Felidae, Kentaren und Ningyo und gab ihnen, was er zuvor den Aves gab, jedoch ungleich mehr. Wiederum missfiel ihm das Ergebnis. Nun entschied Athun, dass es nicht von Vorteil war, so viele Arten zugleich auszuwählen und er erwählte allein die Kräl, die nun sein Segen ereilen sollte.

Vortrefflich entwickelten sich die Kräl. Zuerst begannen körperliche Veränderungen. Sie erschlossen immer neue Lebensräume, einigen wuchsen bald Flügel und sie begannen in der Luft zu leben, wie die Aves. Andere zog es unter Wasser und sie lebten dort wie die Ningyo. Die Kräl bauten Städte und gründeten große Reiche. Keine hundert Zyklen vergingen, da erschufen die Kräl gar selbst Zeythai und Daeva. Doch was musste nun Athun mit ansehen. Die Kräl zogen gegeneinander in den Krieg und missbrauchten die neu geschaffenen Daeva und Zeythai als Soldatenvolk. Und mehr noch. Nicht alle Kräl zogen in den Krieg. Einige unter ihnen begannen abermals die Verwandlung ihrer selbst und zogen fort. Der Krieg dauerte noch viele Zyklen an. Bis eines Tages die Daeva sich erhoben gegen ihre Herren und dies sehend auch die Zeythai ihre Meister hinfort jagten. Dort wo einst die großen Stätten der Kräl standen, gründeten auf deren Ruinen im Westen die Daeva nun ihr eigenes Reich. Den östlichen Teil nahmen die Zeythai in Besitz und fortan ward dies ihr Land. Die Kräl jedoch wurden fortgejagt und Athun strafte sie von nun an mit Verachtung. Bitter enttäuscht hatten sie ihn.

Mit Wohlwollen jedoch betrachtete er diejenigen der Kräl, die unter Verwandlung fortgegangen und neue Länder urbar gemacht hatten. Unter neuen Namen sollten sie fortan bekannt sein; die Ungar, Dvergr und Ælfen.

Athun beobachtete viele Zyklen lang ihr Handeln und Tun und merkte sich gut, was sie taten. Eines Tages, da sein Wissensvorrat über kleines Leben derart gigantisch geworden war, dass er selbst nur mit Mühe noch Überblick behalten konnte, wagte Athun einen letzten Schöpfungsakt. Athun erschuf die Menschen.

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Die vergangenen Zyklen – Kapitel I

Am Anfang war das Universum.

Als Uodan und Mara eines leeren Winkels gewahr wurden, wählten sie diesen Ort der Leere um vor aller anderen Blicke ungesehen sich ihrer Liebe hinzugeben.

So entsprang Athun der Mara Schoß und Uodan frohlockte ob seines erstgeborenen Sohnes. Athun wuchs heran zu einer wahrlich strahlenden Persönlichkeit. So sehr strahlte sein Antlitz, dass Mara und Uodan ihn bald fortschickten, zu erleuchten den Ort aus der Ferne. Athun tat wie ihm geheißen und beschien den Ort, ganz zur Freude seiner Eltern. Jedoch schweifte sein Blick oft in die Ferne und dort wo sein Blick für eine kurze Weile ruhen blieb, so wurde in der Ferne, weit weg, ein kleines Leuchten entfacht. Uodan und Mara jedoch, dies gewahr werdend, erfreuten sich, denn sie erkannten, dass Athun nun selbst sein eigener Herr sein würde, und gaben sich einander hin.

So gebar Mara ihre Töchter. Mani, die Älteste, dann Kani und Ilteri, die Jüngste. Die drei Schwestern erfreuten ihrer Vater und Mutter Herz, doch schon bald sollte die Zeit kommen, da auch sie hinausgehen sollten, auf eigenen Beinen stehen. So verließen, als die Zeit gekommen war, die Schwestern der Eltern Heimstatt. Doch uneins über den Weg, welchen sie einschlagen sollten, gingen sie in Streit auseinander und eine jede schlug ihre eigene Bahn ein. Jedoch erfasste die Schwestern nicht bald darauf die Sehnsucht nach einander und so kam es, dass sie sich gemeinsam trafen und sich aneinander erfreuten. Aber wiederum gerieten sie in Streit und abermals trennten sich ihre Wege. Und so gehen sie auseinander und kommen zusammen bis zum heutigen Tage. Derweil schlief Mara ein. Erschöft von der Erfüllung ihrer mütterlichen Pflichten, sah sie nun, dass sie sich ausruhen konnte und schlief. Äonen.

Uodan derweil bewachte Ihren Schlaf. Jedoch bemerkte Uodan, daß auch er müde geworden war und beschloß Vorkehrungen zu treffen den Schlaf Maras und den seinen nicht unbewacht zu lassen. So erschuf Uodan die Kräl und gab ihnen Tiere und Pflanzen, auf dass sie sich ein Leben lang nicht sorgen mussten und über Generationen hinweg seinen Schlaf und den Schlaf seiner geliebten Mara bewachen und beschützen sollten. Kaum war all dies vollbracht, fiel auch Uodan in einen tiefen Schlaf.

Das Volk der Kräl wuchs und gedieh und vergaß über die Jahrhunderte die ihnen abverlangte Aufgabe. Uodan hatte ihnen Neugier und Verstand gegeben und sie nutzen beides, den Ort ihres Daseins zu erforschen. So fanden sie bald heraus, die Liebe der schlafenden zu nutzen und nannten es Durchdringung, da die Liebe zwischen Mara und Uodan wirklich alles und jeden durchdrang. Nur das Wissen um den Ursprung, dass es nämlich die Liebe ihrer Erschaffer war, blieb den Kräl verborgen. So lebten die Kräl viele Generationen, häuften immer mehr Wissen an und bevölkerten das Land, das Wasser und die Luft. Auch gewannen sie Schätze aus Maras Eingeweiden und nutzten die Kräfte des schlafenden Uodan zur Schifffahrt und zum mahlen des Korns. Viele Generationen lang lebten die Kräl ein glückliches Dasein, doch bald entstand Streit unter ihnen über die Verteilung der Schätze, die sie Maras Eingeweiden mit viel Anstrengung entrissen hatten.

Bald nachdem die Kräl zu streiten begannen, brach Krieg unter ihnen aus. Die einen erschufen Zeythai, damit diese als Soldaten die nun Feinde genannten Kräl bekämpfen sollten. Diese wiederum erschufen die Daeva und schickten diese in die Schlacht gegen die Zeythai und ihre Meister. Der Krieg verheerte das Land. Wo einst stolze Städte standen, ward nun Wüstenei. Jedoch gab es auch unter den Kräl viele, die des Krieges leid waren und müde wurden. Diese begannen sich selbst zu verwandeln, auf dass sie von Ihresgleichen nicht als solche wahrgenommen werden konnten und somit frei von Furcht sein konnten, zu Krieg und Brudermord gezwungen zu werden. Jedoch stellte sich heraus, dass diese Verwandlungen nicht nur von kurzer Dauer waren. Die Macht der Durchdringung formte völlig neue Wesen aus denen, die diesen Weg einschlugen. Die so Verwandelten aber zogen fort. Fern der Heimat gründeten sie Städte und Dörfer und glanzvolle junge Reiche erhoben sich. Diejenigen unter den Kräl, denen jedoch der Sinn nach Krieg stand wurden weniger und weniger. Und bald schon wurden die Zeythai und Daeva des Kampfes überdrüssig, erhoben sich gegen ihre Meister, vertrieben diese und errichteten neue Reiche an den alten Stätten der Kräl. Die Kräl jedoch flüchteten sich in die hintersten Winkel und Athun, der all dies sah, gab ihnen auf Buße zu tun bis an das Ende ihrer Tage.

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