So gut die Befriedung der Lande war, so schön das Ende des blutigen Zyklus, für die Bewohnerinnen und Bewohner des Reiches sollte es nicht besser werden. Zwar war die Freude groß, als Kriege endlich ein Ende fanden und die Waffen verstummten, jedoch währte diese Freude nicht lang. Bald nach dem Tode Naëlis stellte sich heraus, dass die Gesetze und Vorgaben nach Athuns Geboten zu leben zwar sehr gut funktionierten, jedoch den Richtern und vor allem den Friedensrichtern nahezu uneingeschränkte Macht in ihren jeweiligen Sprengeln und Diözesen verliehen.Die Gier breitete sich aus unter den Priestern. Diejenigen die fest im Glauben waren und ihr Priesteramt zum Wohle der Menschen ausübten wurden selten. Vielmehr wurden die Priesterschulen zu Sammelbecken von Blendern, Speichelleckern und Karrieristen. Die Aussicht auf eine Berufung in das Haus eines Richters oder Friedensrichters war verlockend und versprach ein Leben ohne Entbehrungen. Die Möglichkeit gar selbst eines Tages ein Richteramt übernehmen zu können, kehrte in manch einem Priesterschüler das Schlechteste der Menschen hervor. Nicht selten gab es Kunde von ungeklärten Todesfällen in Priesterschulen. Auch schien in den Häusern der Richter und Friedensrichter die Gefahr bei einem Unfall zu verunglücken auf ein ungesundes Maß anzuschwellen. Dessen ungeachtet lebten die Herrschaften in Saus und Braus, schwelgten im Luxus.
War es zunächst für die Dauer des Konsistoriums, dass die Lichter in den Palästen der Friedensrichter nie erloschen, so ward es bald Gang und Gäbe. Die Friedensrichter hielten Hof wie Könige. So manch Richter verbrachte sein halbes Leben am Hofe seines Friedensrichters, immer in der Hoffnung durch geschicktes Spinnen von Intrigen irgendwann selbst Friedensrichter zu werden. Ihre Sprengel betraten sie nur noch um Recht zu sprechen und selbst das überließen sie immer öfter Lakaien, die sich dabei selbst bereicherten. So wurde das Recht bald ein Recht der Meistbietenden.
Die Gesetze Athuns schrieben vor, dass ein jedes Oberhaupt einer Familie einen Zehnt der Erträge aus Handel, Handwerk oder Landwirtschaft an die Prieserschaft abzuführen hatte. zunächst geschah dies indem zur Erntezeit der Zehnt zum Tempel verbracht und dort von den Priestern gezählt und gesegnet wurde. Es dauerte jedoch nur wenige Dreieinigkeiten, da begannen zunächst die Richter und hernach auch die Friedensrichter festzulegen, wie hoch der Zehnt sei. So wurden in der Folge die Gaben nicht mehr zum Tempel verbracht, sondern von richterlichen Gesandten eingetrieben – mitunter auch durch Waffengewalt. So verarmte die Bevölkerung. Diejenigen, die noch Reserven hatten oder etwas zurücklegen konnten, versuchten wenigstens für eines ihrer Kinder einen Platz in einer Priesterschule zu kaufen, damit es der Familie vielleicht irgendwann wieder besser gehen wurde und man weniger der Willkür der richterlichen Eintreiber des Zehnts ausgeliefert war. Diese Familien jedoch wurden immer weniger, so dass die Schülerschaft der Priesterschulen sich irgendwann fast ausschließlich aus Abkömmlingen von Richtern und Friedensrichtern rekrutierte, denn kaum eine andere Familie konnte es sich noch leisten, ihre Kinder auf eine Priesterschule zu schicken.
Andere Schulen gab es kaum und auch für diese musste Schulgeld gezahlt werden, wenn ein Kind dort lernen sollte. Die meisten Kinder jedoch arbeiteten im Hause mit, halfen auf dem Felde oder in der Werkstatt, sobald sie körperlich dazu in der Lage waren, damit neben den ständig steigenden Abgaben an die Richterschaft wenigstens das nackte Überleben der Familie gesichert werden konnte.